Der Zeigarnik-Effekt ist ein psychologisches Phänomen, das zeigt, dass Menschen dazu neigen, sich an unerledigte oder unterbrochene Aufgaben besser zu erinnern als an abgeschlossene. Der Zeigarnik-Effekt ist nach der litauischen Psychologin Bluma Zeigarnik benannt, die beobachtet hat, dass sich Kellner in einem Café komplexe Bestellungen nur während des Servierens merken und sie danach sofort wieder vergessen.
Im Jahr 1927, so wird erzählt, hat sie diesen Effekt in einem Berliner Kaffeehaus entdeckt. Sie hatte beobachtet, dass die Kellner an einem Tisch mit mehreren Personen,
- die Bestellung mündlich entgegen nahmen,
- danach brachten sie die richtigen Getränke und Speisen an den Tisch
- und bei der Bezahlung wussten Sie genau, was jeder einzelne Gast verzehr hatte
Wurden die Kellner allerdings nach dem Bezahlen noch einmal danach gefragt, was jede einzelne Person verzehrt hatte, dann war diese Information nur noch in Bruchstücken vorhanden. Blumja Zeigarnik stellte basierend auf Ihrer Beobachtung die folgende These auf:
- Solange ein Vorgang noch nicht abgeschlossen ist, verfügen Menschen über Informationen, die zu dem Vorgang gehören.
- Ist der Vorgang abgeschlossen, dann verschwinden große Teile dieser Information aus unserem Gedächtnis.
Was besagt der Zeigarnik Effekt?
Diese Tendenz unseres Geistes, sich auf unerledigte Aufgaben zu konzentrieren statt auf erledigte, kann aus evolutionärer Sicht nützlich sein, denn sie hilft uns, den Überblick über wichtige Aufgaben zu behalten. Ein Mensch, der in der Lage ist, sich an wichtige unvollendete Aufgaben zu erinnern, hat in gefährlichen Umgebungen bessere Überlebenschancen als jemand, der sie leicht vergisst. In ihrer ursprünglichen Forschungsarbeit fand Zeigarnik auch heraus, dass das Gedächtnis für unterbrochene Aufgaben besser ist, wenn die Unterbrechung während der Ausführung und nicht erst am Ende erfolgt.
Unser Gehirn arbeitet ökologisch
Unser Gehirn ist einer der größten Energieverbraucher. Es verbraucht bis zu 20% der Energie. Wenn wir intensiv nachdenken, dann qualmt uns der Kopf. Vorgänge, sprich Episoden, die uns beschäftigen, brauchen viel Energie. Und da unser Gehirn ein sehr ökologisches Organ ist, versucht es möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Kein Wunder, dass wir das, was abgeschlossen ist, leichter vergessen.
Vorgänge oder Episoden die offen sind beschäftigen uns solange, bis sie abgeschlossen sind. Wenn wir schlafen wollen und wir schleppen noch zu viele offene Vorgänge mit uns herum, dann gehen uns die Gedanken durch den Kopf und wir finden keine Ruhe. Deswegen sollten wir uns den Tag so einteilen, dass wir am Abend alle wichtigen Vorgänge abgeschlossen haben.
Die evolutionäre Sicht auf den Zeigarnik Effekt
Aus evolutionärer Sicht wird der Zeigarnik-Effekt oft als adaptiv angesehen, weil er uns hilft, wichtige Ziele und Aufgaben, die wir begonnen, aber noch nicht abgeschlossen haben, im Auge zu behalten. Nehmen wir an, Sie sind hungrig und beginnen, ein Sandwich zu essen. Doch bevor Sie Ihr Sandwich aufessen können, werden Sie zu einer Besprechung oder einer anderen wichtigen Aufgabe gerufen.
Der Zeigarnik-Effekt hilft Ihnen, sich daran zu erinnern, dass Sie mit dem Essen Ihres Sandwichs begonnen haben, sodass Sie später darauf zurückkommen können. Die gleiche Idee, sich an unerledigte Aufgaben zu erinnern, gilt auch für die Suche nach Problemen oder Lösungen: Wenn Sie einmal angefangen haben, darüber nachzudenken, wie Sie ein Problem lösen können, wird Ihr Verstand weiter daran arbeiten, auch wenn Sie durch andere Dinge abgelenkt sind, bis Ihnen eine Lösung einfällt.
Der Cliffhanger Effekt
Bei Fortsetzungsromanen und Filmserien kennt man den sogenannten Cliffhanger Effekt. Am Ende einer Episode wird eine wichtige Person in einer scheinbar aussichtslosen Situation gezeigt. Und natürlich möchte man unbedingt wissen, ob diese Person sich dann aus dieser Situation retten kann. Das Ende wird offengehalten und die innere Spannung bleibt erhalten.
Fazit
Große Aufgaben und Ziele sollten wir soweit zerlegen, dass wir zu Teilaufgaben kommen, die an einem relativ kurzen Zeitraum erledigt werden können. Und jede dieser Teilaufgaben oder Teilziele sollte mit einem konkreten Ergebnis abschließen, das wir dann weiterverwenden können.
Und wenn wir eine Teilaufgabe abgeschlossen haben oder ein Teilziel erreicht haben, dann sollten wir uns belohnen. Unser Gehirn freut sich und wartet auf die nächste Belohnung. Es lernt weiterhin, dass die Belohnung nur dann erfolgt, wenn wir etwas erledigt haben. Es wird mit der Zeit eine eigene Motivation entwickeln, die Dinge anzugehen.